el-aviso (mallorca-anzeiger):
Welcome to Mallorca-City
Dörfer werden zu Schlafstädten, Landstraßen zu Autobahnen – Mallorca verändert sich schneller als je zuvor.
Der Asphaltwahn nimmt kein Ende:
Wo heute noch Schafe auf Blumenwiesen und unter Mandelbäumen grasen, wird schon in zwei Jahren ein sechsspuriger Autobahnring die ländliche Idylle verdrängt haben.
Ein Autobahnring, der wohlgemerkt parallel zur bereits bestehenden Via Cintura von Coll d´en Rabassa bis zur Universität verlaufen soll.
Da freut sich der Naturfreund gerade noch über den Beschluss des Inselrates, die geplante Autobahn von Inca nach Manacor doch nicht zu bauen, und dann so was.
660 Millionen Euro hat die spanische Ministerin für Entwicklung und Wirtschaftsförderung Magdalena Alvarez den Balearen für den Bau neuer Strassen zugesagt.
Mit diesem Geld könnte man den Paseo Maritimo in Palma untertunneln und somit nicht nur die Lebensqualität der Einwohner, sondern auch die touristische Attraktivität der Inselhauptstadt enorm steigern – man stelle sich nur eine Flaniermeile in erster Meereslinie vor.
Doch anstatt Strassen unter die Erde zu verbannen wird – ungeachtet aller Proteste – munter weiter die idyllische Landschaft zubetoniert.
Das selbe passiert auf Ibiza:
Dort demonstrieren die Einwohner energisch, es kommt sogar zu Verhaftungen, weil Umweltschützer die Arbeiten behindern.
Trotzdem wird die Autobahn vom Flughafen nach Ibiza-Stadt (Länge: 13 Kilometer) weitergebaut.
Warum beschließen ausgerechnet Politiker diese Bausünden, die doch wissen müssten, dass die Natur und Landschaft der Insel einen enormen Anteil an der Attraktivität bei Touristen aus aller Welt hat?
Die Opposition tippt auf handfeste finanzielle Interessen einer Spitzenpolitikerin, deren Ehegatte eines der größten Bauunternehmen auf der Insel besitzt.
Diese Äußerungen sind allerdings Teil des Wahlkampfes, juristisch nachzuweisen ist die Vermischung privater und öffentlicher Interessen bisher nicht.
Mit den Autobahnen und Zubringern beschleunigt sich vor allem die Verstädterung der ländlichen Gebiete.
Aus Dörfern werden Schlafstädte ohne soziale Strukturen.
Besonders deutlich wird die Entwicklung zwischen Palma und Portol: Auf der alten Landstraße durchquert man vier Dörfer, entdeckt aber zwischen Palmas Stadtgrenze und Portol kaum noch ein Stück freies Feld.
Jetzt steigen auch die Preise in Llucmayor, die Kleinstadt wird dank Autobahnanschluß zum Vorort von Palma.
In Sóller hat diese Entwicklung schon vor Jahren stattgefunden:
Als der Tunnel durch die Tramuntana fertig war, verkürzte sich die Fahrzeit von dem Ort in den Bergen nach Palma von 45 auf 20 Minuten. Vier Bars und das einzige Kino mußten schon wenige Monate später schließen. Vor allem am Wochenende findet das soziale Leben der unter 30jährigen jetzt in Palma statt. Aber auch hohe Grundstückspreise in Mallorcas Hauptstadt und dem direkten Umland haben die Entwicklung verstärkt. Schon im vergangenen Jahr, in dem die Autobahnen zum Großteil noch gar nicht fertiggestellt waren, sind die Anträge auf Neubauten in Palma selbst zurückgegangen, in den umliegenden Dörfern aber überdeutlich gestiegen.
Eine weitere Ursache ist die stetig steigende Zahl der Einwohner: Die Bevölkerung auf den Balearen hat sich in den letzten 160 Jahren mehr als vervierfacht. Besonders deutlich lässt sich dies an der Einwohnerzahl Palmas ablesen: Im Jahr 1842 lebten 40.892 Menschen in der Inselhauptstadt, 2001 zählte die Stadt knapp 120.000 Einwohner. Überraschend ist zwar die Tatsache, dass über 15 Gemeinden der Balearen annähernd gleich viele Einwohner haben wie vor 160 Jahren. Dazu gehören unter anderem Alaró, Banyabulfar, Escorca, Llubi, Montuïri und Porreres. Dafür läßt sich in diesen Dörfern eine andere soziale Entwicklung erkennen: Die Einwohnerzahl insgesamt ist zwar mehr oder weniger die selbe, doch die Zahl der Haushalte hat sich in fast allen Dörfern verdoppelt – der Trend der Kleinfamilien und Singles macht sich also auch in den Dörfern bemerkbar und sorgt für mehr Landkonsum und mehr Autos. Erstaunlicherweise gibt es auf Mallorca auch Orte, an denen die Einwohnerzahl in den letzten 160 Jahren gesunken ist: Im kleinen Dörfchen Estellencs lebten 1842 noch 604 Bewohner, 2001 waren es nur noch 347. Auch in Puigpunyent leben heute weniger Menschen als in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Dass diese Zahlen eher die Ausnahme sind, wird am Beispiel von Calviá deutlich. Hier schoss die Bevölkerungszahl in 160 Jahren von 1875 Menschen auf fast 36.000 in Jahr 2001. Die meisten neuen Bewohner kamen übrigens – wie nicht anders zu erwarten – ab 1970 auf die Insel.
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