Muss mich jetzt doch zu Wort melden - Könnte aber länger werden
Als DJ (und zwar kein Grosser, kein Berühmter aber auf jeden Fall mit dem meiner Meinung nach richtigem Ohr ausgestatteter)
sehe ich die Sache differenziert.
Nämlich einerseits finde ich die Diskussion 1) absolut berechtigt und andererseits kommt man am Ende zur letztendlich wichtigsten Frage 2) "Was ist ein guter DJ?"
Beginnen möchte ich mit dem Vergleich des Filmvorführers. Dabei möchte ich keinem Filmvorführer zu Nahe treten aber
was DJ´s an Zeit und Übung in Musik, Sets, Übergänge, Vorbereitungen für Veranstaltungen, Trackselektion etc. reinstecken ist ein Vielfaches von der Zeit die er/sie hinter den Decks steht und somit kann man getrost sagen der Tag steht so ca. 3 bis 6 Stunden im Zeichen der Musik. (auch von DJ´s mit 9 to 5 Jobs die alle normal arbeiten gehen)
1.) Man hört sich pro Woche durch ca. 100-300 Tracks durch (egal ob Beatport, Traxsource, Soundcloud, Foren, Links) und versucht verwertbares zu finden.
2.) Man kauft/investiert wöchentlich Geld in 320kbits Files um perfektes Material zur Verfügung zu haben in Studioqualität.
2.) Man muss die Gabe haben zuzuordnen in welches Set mit welchen Tracks etwas harmonieren könnte und es auch ausprobieren.
3.) Man muss eine Vielzahl an feinsten Justiermöglichkeiten bzw. Übergangsmöglichkeiten (Skills) beherrschen und schon am Klang einer HI HAT wissen ob sich diese mit dem reinkommenden Track killen wird oder wie weit man was parallel laufen lassen kann.
4.) Man sollte mehrere "Oberflächen" bedienen können. (Was nutzt ein Traktor Controller wenn man in einem Club mit Pioneer Decks gebucht wird und umgekehrt was nutzen Pioneer Kenntnisse wenn wo ein Controller Deck mit PC steht und jemand sagt NA MR. DJ zeig mal was.)
-> im Extremfall beherrschen die wirklich guten DJs Pioneer Decks (und zwar 1000er, 350er, 400er, 850er, 900er und 2000er) dazu können sie mit Controllern auflegen (egal ob mit Kindersoftware Virtual DJ oder Traktor oder Serato) und dazu noch Oldschool Vinyl auf 1210er bzw. Timecode Vinyl in Kombination mit Notebook/Mp3´s
Da kommt schon einiges an Wissen/Technik zusammen. Das erfordert Selbststudium, viel Lesen, viele Videos schauen und sich ständig weiterentwickeln.
5.) Dazu kommt das auf sich aufmerksam machen durch Soundcloud Pro Accounts (kostenpflichtig) od. Mixcloud oder Facebook Seiten - ein Netzwerk aufbauen und einen eigenen Stil rüberzubringen sodass ein Wiedererkennungswert hervorkommt (ah das ist der der gerne Deep Sachen mit vielen Vocals macht etc.) auch das will aufgebaut werden. Denn letztendlich will man wissen ob das ankommt was man tut.
Zum Thema vorgemixt, Sync etc....
Meine Einstellung ist - ein DJ muss Beatmatchen (Angleichen der Geschwindigkeiten zweier Tracks mit dem Ohr) und Mixen können und auch mit Medien/CDs/MP3s umgehen können die plötzlich einer spontan eingebaut haben will.
Denn Technik kann ausfallen - was tut man dann wenn das Display ausfällt oder an der rechten unteren Ecke einen Sprung hat und man plötzlich die BPM Anzeige nicht mehr sieht. Man braucht die Technik um eine Rückfallsebene zu haben. Oder jemand schmeisst dir einen USB Stick mit einem einzigen Lied hin. (welches nicht Recordbox vorbereitet ist - sprich die WAV-Form lädt nicht gleich und die BPMs stimmen nicht genau) - dann muss mans können oder man dreht alles ab und sagt SORRY ich kanns nicht.
Das heisst aber nicht das wir die BPM Anzeige nicht nutzen. Ich halte es mittlerweile für Schwachsinn ca. 8 bis 20 Sekunden beatzumatchen an einem Pionner CDJ2000 wenn ich die Anzeige mit der Zahl vor mir sehe - dann stellt jeder das ein und hat z.B. dafür mehr Zeit schon einen Effekt reinzubringen in der Zeit wo man normal aufgehalten war. Oder es fragen sogar andere ... warum kann der Hr. DJ schon schon gleich nach einem Cut sofort mit einem Echo reinfahren und du nicht (weil du eben noch 10 sekunden beatgematcht hast)
Und das ist glaub ich die Spirale in die wir alle gekommen ist - es muss alles so perfekt sein. (egal ob Körper, Gehalt, Wetter, Musik, Events....)
Lädt jemand einen ehrlichen Mix rauf mit 3 Knackser in 10 Übergängen - hört man - na so ein Looser der kann nichts etc.
Der andere hängt die MP3 im SYNC Modus im Virtual DJ aneinander und wird für den fliessenden Übergang gelobt per Kommentar... Wer will sich die Blösse schon geben?
Der eine Star DJ hat eine Lasershow die genau abgestimmt ist und die Tänzerinnen wissen schon vorher wohin sie bei welchem Ton laufen - alle sehr erstaunt wie perfekt das ist - aber wie soll das wiederum gehen wenn man live mischt - was reinschmeisst was plötzlich aus einer Laune her nie geplant war etc.. (was mir prinzipiell besser gefällt - warum soll man nicht die alte Version von DJ Jean - The Launch reinhauen wenn 80% auf der Tanzfläche das verlangen weil einer angefangen hat zu schreien - na bitte dann Vollgas....Der andere DJ hat dass nicht so perfekt getiimed weil er kreativ ist und wird kritisiert ob er keine grosse abgestimmte show zusammenbringt
Der Amerika Trend zu den Riesen House Shows und den riesen Gehältern war der Anfang dessen worüber wir heute etwas unglücklich sind.
Natürlich kann man sich keinen Fehler leisten bei einer 175000 Dollar Verpflichtung da muss jeder Ton und Übergang samt Licht dazu und Laser an der richtigen Stelle sein und daher kann nur alles durchgeplant sein.(Weil diese Art Veranstalter das erwarten und keinen Wert auf einen puristischen Dj legen)
Warum man allerdings sowas im Amnesia, Ushuaia, Space machen muss verstehe ich ganz und gar nicht.
Dort sollte man schon etwas Back to the Roots gehen - da bin ich ganz der Meinung der Kritiker.
Zur Frage 2)
Was ist ein guter DJ?
Letztendlich entscheidet die Mehrheit der ZuhörerInnen und Feierwütigen. (und da bleiben immer welche auf der Strecke)
Ist eine Party ein Erfolg und reisst der Besucherstrom nicht ab - warum sollte man dann als Veranstalter etwas ändern?
Wenn die Leute Musik gehört haben die ihnen gefallen hat. Wenn sie rausgehen und sagen "war das geil" unpackbar "Gänsehaut" dann wars perfekt und wie man
merkt fragen 80% nicht danach mit was wer wie Musik macht - das sehen eben nur Feinspitze und die sind nicht die Mehrheit. (obwohl vermutlich wesentlich mehr Musik-affiner)
Die DJs des Events steuern auf jeden Fall indirekt auch Gastroumsatz, Verweildauer der Kunden, Wohlfühlfaktor , Merchandising Absatz, Clubmarketing etc.
In ibiza wird vieles richtig gemacht seit Jahren (das ist ja immerhin was - bzw. der Grund warum wir alle hinfahren) im Gegensatz zu lokalen Veranstaltern in Grosstädten in D und AUT z.b.
Bei uns buchen Grossraum-Discos oftmals einen günstigen Jung-DJ der alle 6-7 Stunden durchmacht - mit dem Erfolg das genau 2 Std eine Kundenspitze ist und davor eher mau und dahinter auch ein verfrühter Abgang zu sehen ist.
2 oder 3 DJS zu je 500 Euro kosten halt 1500 Euro statt den 450 Euro die der Billig-DJ kostet JA ! aber 200 Kunden mehr die um 2 Stunden länger da sind (weil was los ist) machen auch 3000 bis 4000 Euro mehr Umsatz da wäre für alle mehr drin wenn man nachdenkt. Und ein DJ Wechsel wo jeder noch einen drauflegt bis zum Letzten haben noch nie geschadet und es können auch mehr Genres abgedeckt werden.
Ganz am Schluss: Ich will die Stars nicht verteidigen aber manche legen alle 48 Stunden eine Show in einem anderen Land hin. Wie soll der überhaupt jedes Set zuschneiden auf den einen Event und immer andere Playlisten haben etc... das ist die Kommerz-Spirale mit ihren Nachteilen nur Hand aufs Herz... wenn dir einer für 20 Shows in zwei Monaten (300.000 Dollar bietet inkl. Hotels, Flüge und Freundin mitnehmen) und im Gegenzug kannst du in der selben Zeit in kleinen Clubs deiner Stadt 16 mal (immer Fr/Sa) auflegen um zusammen 6-10.000 Euro - WAS TUST DU ?